Bayerisches Motorroulette
Wir alle kennen ja das russische Roulette. Ein etwas anderer Nervenkitzel der zwar nicht wirklich im Wert zum Motorroulette steht, aber auch ich setze gerade vieles auf eine Karte. Denn ein Auto zu kaufen, mit einem sowieso schon recht thermisch-anfälligen Motor, der schon einen thermischen Schaden hatte, ist so eine Sache. Meine Karte besteht gerade daraus, auf die bisherige Arbeit vom Vor-Vorbesitzer zu vertrauen und diesen Motor gerade mit allem fehlenden Zeugs aufzubauen um zu hoffen, das kein weitere Schaden mehr vorhanden ist. Das kann bei den Teilekosten auch richtig nach hinten losgehen und dann sitze ich auf einem schrotten Motor mit einigen (teuren) Neuteilen die keine Verwendung mehr haben. Aber der Reihe nach...
Kurz nach Kauf und der Entdeckung, dass nur der Keilriemen den Motor blockierte, setzte ich mich mit dem Schornsteinfeger witti zusammen und wir fingen an den Motor mit allen mitgegeben Teilen zu komplettieren. Vorab haben wir aber noch mit einem recht günstigen und äußerst passgenauen M51 Einstellwerkzeug Set die Steuerzeiten sowie die mechanische Einspritzpumpe geprüft.
Da ich nicht weiß, ob die Steuerkette mit dem neuen gebrauchten Zylinderkopf auch ausgetauscht wurde, wollte ich sowieso die Nockenwelle leicht Richtung früh haben, wie es BMW auch bei >20.000km alten Steuerketten vorgibt. Dazu darf das Nockenwellen Einstellwerkzeug nicht Plan auf dem Kopf liegen, sondern muss mit einer 4,5mm Fühlerlehre leicht Schräg auf Ansaugseite angesetzt werden. Dies entspricht einer Verstellung der Nockenwelle um 2-3° Richtung Früh. Da der Kurbelwellen Absteckdorn so super passgenau durch den Motorblock in das Schwunggrad reinging, haben wir am Ende eine Knarrenverlängerung durchgeschoben und den oberen Totpunkt vom 1. Zylinder eher grob geschätzt. Und siehe da: Die Nockenwellen waren ca. der Vorgabe von alten Steuerketten leicht früh eingestellt. Danke lieber Vorbesitzer!
Schritt 2 war die Einstellung der Einspritzpumpe. Technisch möchte ich hier nicht weiter drauf eingehen, da ich die gesamte Pumpentechnik noch nicht vollständig verinnerlicht habe und lieber sage ich garnichts, als irgendwas falsches in die Welt zu setzen. Ich sag nur so viel, die Pumpe war nach entsprechender BMW Vorgabe an einem nahezu perfekt gewünschten Toleranzwert eingestellt - der Vorbesitzer wird die Wirbelkammer Dieselmechanik verstanden haben und wusste, war er da tut.
Ergänzung von witti: Da ich an meinem blauen Großraumtraktor bereits einen Zahnriemenwechsel durchgeführt habe, bin ich im Besitz einer Messuhr und der nötigen Adapter, um den Förderbeginn an den BOSCH Verteilerpumpen zu überprüfen.
Dazu wird die Messuhr mit Vorspannung und mit Hilfe des Messadapters in die Dieselpumpe geschraubt und der Motor in Drehrichtung auf OT gedreht. Die Hubscheibe, welche die Ventile der Einspritzpumpe öffnet, beginnt schon kurz vor OT langsam zu öffnen. Ist der Motor auf OT, sollte dieser Hub sich innerhalb der Herstellerangaben befinden, um die Einspritzung von Diesel zum richtigen Zeitpunkt zu gewährleisten. An Arians Motor befand sich der (mehrmals) abgelesene Wert innerhalb der Toleranzen mit einer Tendenz richtung früh (in T4 Kreisen wird empfohlen gleich auf den frühsten Toleranzwert einzustellen), daher sahen wir keine Notwendigkeit hier etwas zu verstellen. Wäre dies nötig gewesen, hätte man an diesem Motor wohl die Pumpe an ihrer Haltekonsole verschoben.
Da der Steuertrieb augenscheinlich der Erwartung nach eingestellt war, ging damit der Startschuss für den Zusammenbau los. Neuer Motor, unbekannte Teile, irgendwas loses was auf Kühler und in Kartons herumfliegt - da muss man sich erstmal sortieren und schauen wo was hinkommt. So fing es Anfangs mit dem Anschrauben der einzelnen Dieselzuleitungen an von Einspritzpumpe zu Einspritzdüsen. Diese besteht aus einem 6-Teiligen Leitungsgeschirr was auch recht sanft behandelt werden sollte - wenn die Gewinde beschädigt werden durch z.B. zu festes anziehen wars das erstmal. Dann kam sowas wie Vakuumpumpe, fehlende Verschraubungen des Kopfes sowie der Ventildeckel - beim Ventildeckel hatte ich dann leider auch eine abgerissene Schraube im Kopf entdeckt die schon recht unsaft bearbeitet wurde. Hier wird dann demnächst die erste Erfahrung bei abgerissenen Schrauben gemacht mit Ausbohren und Helicoil einsetzen.
Und mehr braucht so ein Diesel eigentlich nicht mehr um zu starten. Da die Drehzahl anhand der Diesel Fördermenge geregelt wird, hat so ein Diesel keine Drosselklappe. Keine Drosselklappe = kein geschlossenes und dichtes Ansaugsystem. Somit kann die Ansaugbrücke erstmal wegbleiben.
Ein Benziner zum Beispiel benötigt immer ein genaues Luft-Kraftstoffgemisch. Mit offener Ansaugung würde ein Benziner also aufgrund des viel zu mageren Gemisch (geringe Einspritzmenge, zu viel Luft) Kalt garnicht erst starten. Warm wäre vielleicht noch möglich, aber dann würde der überhaupt nicht Rund laufen und eventuell unmittelbar wieder aus gehen. Oder hochdrehen wenn die Motorsteuerung versucht den korrekten Lambdawert zu erhalten.
Der größte Knackpunkt am ersten Startversuch war der fehlende Turbolader. Da dieser für gewöhnlich direkt am Krümmer sitzt, klafft da ein entsprechend großes Loch. Wenn es im Zylinder knallt, knallt es auch in der Halle richtig. Zudem war die Turboölzulaufleitung ein kleines Problem, da diese natürlich recht fröhlich ihr Öl auspissen möchte - also professionell das Öl mit einer Flasche aufgefangen.
Alles angeschlossen, Kabel der Glühkerzen aufs Gewinde gelegt - wir hatten zu dem Zeitpunkt keine Befestigungsmuttern. Was soll schon schiefgehen.
¯\_(ツ)_/¯
Rücksitzbank rausgerissen und eine schöne 95Ah Varta Starterbatterie entdeckt und erstmal aufgeladen. Danach die Kabel angeschlossen und ein Licht ging auf! Kein Lichtbogen oder ein in flammen gehendes Steuergerät, sondern die Innenraumbeleuchtung! Die Elektrik funktioniert also schonmal besser als im E31 zu diesem Zeitpunkt (die Baustelle am 8er ist inzwischen beseitigt). Ab auf den Fahrersitz und die Zündung aktiviert. Ein herrlicher Anblick:
Eine Zündstellung weiter und der Motor drehte! Hurra. Und er drehte, und drehte, und drehte immer langsamer. Soweit bis dann auch die Innenbeleuchtung im Kompressionstakt aus und an ging - die Batterie hat also Vollgeladen 1 Minute Orgeln überlebt und war danach tot. Wie ich es von Varta kenne hat mich das nicht wirklich überrascht, da sich meine im 1er auch nach 2 Jahren verabschiedete (oder meine Elektronik hat die gekillt, das gilt es gerade zu prüfen).
Immerhin, die Öldruckanzeige ging in unter einer Minute aus, was nach über einem Jahr Standzeit schonmal ein gutes Zeichen ist. Und andererseits war es auch in Ordnung das der Heizölverwerter nicht ansprang, damit erstmal alles wieder Ölbeschmiert ist bevor die Last raufkommt. Dann war aber auch Feierabend und es mussten erstmal Teile bestellt werden, die während des Zusammenbau fehlten.
Ausgerüstet mit neuen Gasfedern für Motorhaube und Heckklappe, Kühlwasser, diversen Filter, Keilriemen, Dichtungen, Schläuchen, Temperatursensor, Thermostat und etlichen Kleinzeugs ging es weiter - dieses mal im Alleingang.
Ich fing an die Glühkerzen zu befestigen, paar Dichtungen zu ersetzen, den Thermostaten zu wechseln und den Motor weiter zu komplettieren. Dies ging ungefähr soweit bis am Ende nur noch der Turbolader mit der gesamten Ansaugvorrichtung, die Unterdruckleitung an die Vakuumpumpe, der Keilriemen inkl. Viskolüfter und ein bisschen Kühlwasser (ca. 10L) fehlte.
Eine Woche darauf war auch der spontan gekaufte Turbolader inkl. Krümmer im letzten Moment eingetroffen. Diesen hatten wir dann sofort ausgepackt und begutachtet. Der Turbo wirkte recht sicher sauber und gut erhalten. Die Schaufelräder hatten kein Spiel und waren (wie in einigen anderen Anzeigen) auf Verdichterseite nicht zertrümmert. Einzig allein war der Turbo recht schwer zu drehen - er dreht also nicht von alleine weiter. Sofern es sich aber um ein Gleigelagerten Turbo handelt, ist das wohl ein völlig normaler Zustand. Wenn er wirklich vollständig intakt ist, war das ein faires Angebot. Denn der Turbo mit der Nummer TD04-11G-5 war in schlechteren Zuständen für teils 50€ mehr oder nur im Ausland zu haben.
Turbo vom Krümmer gelöst und gebetet, dass die Schrauben nicht abreißen. Aber alles lies sich wunderbar lösen, auch die Hohlschraube der Ölzulaufleitung. Und nach paar Anläufen und Überlegungen, wie man am besten den Turbo mit den Ölleitungen nun am einfachsten Einbaut, steckt er nun drin und erhält ein verlängertes Leben in einem wunderbaren Roadtrip Reisekombi:
Danach noch zufällig den passenden Luftschlauch vom Luftfilterkasten zum Verdichterrad des Turbos im Fond des Autos gefunden und weiter komplettiert. Und es ging an den nächsten Startversuch. Aber abseits von einer möglichen Zündung mithilfe des Bremsenreiniger war leider immer noch kein Leben in der Bude.
Und damit solls auch mit diesem Beitrag erstmal gewesen sein, ich denke dieser ist schon lang genug. Demnächst folgt dann Teil 3 zur Diesel Odyssey.